
Meine Lieben,
Nach einer langen Zeit des Schweigens möchte ich heute einen Gedanken mit euch teilen, der sich aus meinen Erfahrungen mit der Praxis der Großzügigkeit ergeben hat.
Wie ich euch oft erzähle, stamme ich aus einer Familie mit bescheidenen Verhältnissen in Süditalien, und meine vier Großeltern hatten immer eine solide und tiefe Verbindung zum Land, zur Natur, zu einfachen Lebensmitteln und zur ländlichen Tradition.
Während meiner Kindheit verbrachte ich viel Zeit in ihrer Obhut, und ich erinnere mich gut daran, wie die Wiederholung von Sprichwörtern und Redensarten ihre übliche Art war, die durch ihre Lebenserfahrungen bestätigten Volksweisheiten weiterzugeben.
Eine der Lehren, die meine Erziehung sicherlich am meisten beeinflusst hat, wurde oft von meiner Großmutter mütterlicherseits wiederholt: Wenn ich etwas zu essen bekam und vor allem, wenn sie im Beisein anderer meinen Wunsch bemerkte, „alles für mich zu haben“, ermahnte sie mich sanft in meinem Anflug von kindlicher Gier und Geiz, indem sie mich daran erinnerte, dass „alle Münder Geschwister sind“.
Diese einfachen Worte waren eine Einladung zum Teilen, zum Geben, zur Großzügigkeit gegenüber anderen, nicht als Pflicht, sondern als ein Akt der Geschwisterlichkeit.
Ich wurde also nicht dazu erzogen, im Interesse eines zukünftigen Austauschs, eines "Geben und Nehmens", zu geben, sondern ich wurde dazu aufgefordert, als Akt der Verbindung zu geben.
Der Andere, den meine Großmutter mit diesen Worten meinte, auch der „Fremde“, hat wie du einen Mund, der, auch wenn er sich ästhetisch von deinem unterscheidet, im Grunde deine Schwester / dein Bruder ist. Dieser Mund; diese Person hat wie du das primäre Bedürfnis, glücklich zu sein und deshalb nicht nur „gefüttert“ zu werden, sondern mit guten und gewünschten Dingen genährt zu werden.
Heute, als Erwachsene, finde ich es besonders interessant festzustellen, dass dieser Aufruf zur Praxis der Großzügigkeit und zu einer selbstlosen Großzügigkeit des Herzens nicht aus einer Kultur und Tradition des „materiellen Überflusses“ kam, wie wir sie heute erleben, sondern von so bescheidenen und einfachen Menschen, die buchstäblich Hunger litten.
Viele von ihnen waren Bauern, wie meine Großeltern, die vor dem wirtschaftlichen Aufschwung der 1950er Jahre wirklich Elend und Armut erlebten. Sie lebten in prekären Verhältnissen, in winzigen Häusern, überfüllt mit immer hungrigen Nachwuchs, ohne fließendes Wasser, ohne Strom, ohne Heizung und ohne das Nötigste für den Tag.
Und so frage ich mich heute: Ist es nicht gerade die Erfahrung des „Mangels und des Wenigen“, die diese Kultur mit so bescheidenen Ursprüngen dazu gebracht hat, im Geben und Teilen den einen wahren Schatz zu entdecken, den einem niemand nehmen kann und der im Teilen sogar wächst, nämlich den Reichtum der Seele?
Denn wenn man so wenig hat, ist es schwierig, vom Kopf her zu geben und zu teilen. Der Geist, voller Sorgen und Ängste für die Zukunft, denkt und hängt hauptsächlich daran, etwas „zurück zu bekommen“.
Ich glaube in der Tat, dass man fähig ist, zu geben und zu teilen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, nur wenn das Geben ein Akt ist, der aus dem Herzen erwächst, aus einem tiefen Gefühl des Vertrauens, das in der Lage ist, den zweifelnden Kopf davon zu überzeugen, dass selbst dieses Wenige tatsächlich „genug und ausreichend“ ist, um geteilt zu werden.
„Alle Münder sind Geschwister”. Einfache Worte - für mich eine tiefe Wahrheit, die darauf hinweist, dass der Weg der wahren Großzügigkeit nicht beschritten wird, wenn man der opportunistischen Logik des Gebens für das Zurückbekommen folgt, sondern nur, wenn man sich in das magische Gebiet der Zugehörigkeit, der Geschwisterlichkeit, der gleichen Abstammung wagt.
Nur dann wird die Gabe zu einer echten Geste der Annäherung an den Anderen, in der ich mich bewusst für eine „verwandtschaftliche“ Beziehung zum anderen entscheide, trotz seiner unentzifferbaren und unausweichlichen Verschiedenheit, und mich daran erinnere, dass wir Menschen im Grunde aus demselben Teig gemacht sind.
„Alle Münder sind Geschwister": Meiner, deiner, ihrer, sie mögen entfernte Sprachen sprechen, unterschiedliche Formen und Farben, abweichende Gewohnheiten haben, aber sie sind alle Teil einer großen heterogenen Familie. Und jeder Geschwister-Mund, wie meiner und deiner, will einfach nur glücklich sein.
Es gibt so viele Momente im täglichen Leben, in denen ich merke, dass ein Gefühl der Unsicherheit in mir wächst, wenn der Gedanke an Zukunftssorgen und die Angst, nicht genug zu haben, die Saat des Geizes und der Gier zu gießen und wachsen zu lassen beginnt. Und genau in diesen Momenten trainiere ich mich bewusst darin, Großzügigkeit zu üben. Denn genau in diesen Momenten möchte ich mich daran erinnern, dass das Teilen, das wahre Geben, das von Herzen kommt, immer ein Akt des Vertrauens und der Fülle ist: Ich bin bereit, von Herzen zu geben, nicht weil ich eine Gegenleistung erwarte, sondern weil ich fühle und darauf vertraue, dass auch das Wenige, das ich habe, genug ist und immer genug sein wird.
Und diese Gefühle von „Zugehörigkeit und Fülle“ sind für mich die einzigen wahren Schätze, die es wert sind, gehalten zu werden; jener seelische Reichtum, der nicht aus materiellem Überfluss und Angst, ihn zu verlieren, geboren wird, sondern aus der Weisheit des Herzens und seinem Vertrauen in das Leben und die ewige Vorsehung.
Eure Schwester-Mund, Maria-Lucrezia
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